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ISO 9001-Zertifizierung: Akkreditiert oder nicht?

1 | Einleitung – Die Wahl der richtigen Zertifizierungsstelle

Für deutsche Unternehmen bleibt die ISO 9001 das meistverwendete Werkzeug, um ein belastbares Qualitäts­management darzustellen. Spätestens bei der Auswahl der Zertifizierungs­stelle stellt sich die Frage: Braucht es zwingend eine durch die DAkkS akkreditierte Stelle – oder genügt ein nicht akkreditierter Anbieter, der ebenfalls nach ISO 17021 arbeitet? Der Beitrag beleuchtet beide Wege aus neutraler Kunden­perspektive und zeigt, wann welche Option sinnvoll ist.

Die ISO 17021 definiert die Anforderungen an Zertifizierungs­stellen, die Management­systeme auditieren und zertifizieren. Für unsere Betrachtung unterstellen wir, dass auch nicht akkreditierte Anbieter diese Norm konsequent anwenden und ihre Auditoren entsprechend qualifizieren.

Hinter akkreditierten Zertifizierungs­stellen steht in Deutschland die Deutsche Akkreditierungs­stelle (DAkkS) – eine staatliche Behörde, die die Einhaltung der ISO 17021 überwacht und durchsetzt. Doch eine behördliche Kontrolle ist nicht automatisch gleichbedeutend mit optimaler Audit­qualität. Ein genauer Blick auf Alternativen jenseits der Akkreditierung lohnt sich daher ebenso wie auf die Erfahrungen anderer Länder.


2 | Akkreditierung und ISO 17021 kurz erklärt

Akkreditierung ist die formelle Bestätigung einer staatlich anerkannten, unabhängigen Behörde, dass eine Zertifizierungs­stelle kompetent, unparteiisch und regelkonform arbeitet. Die dafür maßgebliche Norm lautet ISO/IEC 17021-1: Sie legt die Anforderungen an Stellen fest, die Management­systeme – etwa nach ISO 9001 – auditieren und zertifizieren.

Deutschland

In Deutschland besitzt die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) ein gesetzlich verankertes Monopol: Nur sie darf Zertifizierungs­stellen gemäß ISO 17021 akkreditieren.

Internationale Pendants

  • Vereinigtes Königreich → UKAS (United Kingdom Accreditation Service)
  • USA → ANAB (ANSI National Accreditation Board)
  • Australien / Neuseeland → JAS-ANZ (Joint Accreditation System of Australia and New Zealand)
  • weitere Beispiele: SCC (Kanada), CNAS (China), INMETRO (Brasilien)

3 | Das Auditoren-Paradox – Kompetenz schlägt Stempel

Ob akkreditiert oder nicht: Der Auditor vor Ort entscheidet über den Mehrwert des Audits. ISO 17021 fordert nachweisliche Fach- und Branchen­kompetenz sowie regelmäßige Fortbildung der Auditoren.

Praktisch bedeutet das:

  • Akkreditiert, aber wenig hilfreich – Ein schwach aufgestellter Auditor einer akkreditierten Stelle kann wenig Nutzen stiften. Die DAkkS legt großen Wert darauf, dass Auditoren die Konformität zu den Norm-Anforderungen feststellen. Weil die DAkkS eine Unparteilichkeit vorschreibt, dürfen Auditoren nicht beraten und nur begrenzt auf Verbesserungen hinweisen.
  • Nicht akkreditiert, aber wertvoll – Ein erfahrener Auditor einer nicht akkreditierten Stelle, der die ISO 17021 ernsthaft anwendet, kann Prozesse tiefgreifend analysieren und konkrete Optimierungsansätze liefern. Hier entsteht oft der größere Mehrwert.
  • Kunden sollten deshalb stets Auditor-Profile anfordern – Lebenslauf, Branchenerfahrung, Zertifikate – und Referenzen prüfen, statt sich allein auf das Akkreditierungslogo zu verlassen.

4 | Vorteile akkreditierter ISO 9001-Zertifikate

Internationale Akzeptanz dank IAF-MLA – ein Zertifikat, global gültig  .

  1. Höhere Glaubwürdigkeit bei Kunden, Banken, Behörden; das Logo fungiert als „Vertrauens­stempel“  .
  2. Rechtliche Absicherung – bei Produkthaftung oder Genehmigungs­verfahren wird ein akkreditiertes Zertifikat seltener in Frage gestellt.

5 | Vorteile nicht akkreditierter Zertifikate unter ISO 17021

Vorausgesetzt, die Stelle arbeitet nach ISO 17021 und legt die entsprechenden Nachweise offen:

  1. Hohe Flexibilität & kurze Reaktionszeiten – Auditprogramm, Stichproben­tiefe und Termine lassen sich schnell auf individuelle Betriebsabläufe abstimmen.
  2. Geringere Gesamtkosten – Es entfällt der Gebührenaufschlag für die externe Akkreditierungs­überwachung; Reisekosten und Auditaufwand können schlanker kalkuliert werden.
  3. Maßgeschneiderter Mehrwert – Auditoren dürfen – innerhalb klarer Grenzen – auf Optimierungen eingehen und konkrete Verbesserungs­vorschläge machen und sogar beraten, sodass Ihr Qualitäts­management sich kontinuierlich weiterentwickelt.
  4. Passgenauer Auditoren-Fit – Spezialisten oder Branchen­insider arbeiten häufig bei kleineren, nicht akkreditierten Häusern und liefern besonders praxisnahes Feedback.

Wichtig: Ohne Akkreditierungs­logo kann die Akzeptanz bei bestimmten Kunden eingeschränkt sein. Eine frühzeitige Klärung der Markt­anforderungen ist daher unerlässlich.


6 | Nachteile einer akkreditierten Zertifizierung

AspektTypische Auswirkung für das Unternehmen
Höhere GesamtkostenAuditoren-Tagessätze und Zertifikatsgebühren enthalten den Aufschlag für die regelmäßige Überwachung durch die Akkreditierungsstelle.
Geringere TerminflexibilitätDAkkS-vorgeschriebene Fristen für Auditplanung, Berichtseinreichung und Korrekturmaßnahmen lassen sich nur eingeschränkt verschieben.
Fokus auf Konformität statt VerbesserungAuditoren dürfen – zur Wahrung der Unparteilichkeit – kaum beraten. Das Audit konzentriert sich stärker auf „Erfüllt / Nicht erfüllt“, weniger auf praxisnahe Optimierung.
Formale DokumentationslastStrenge Vorgaben zu Auditunterlagen, Stichprobenumfang und Berichtsformat erhöhen insbesondere für kleinere Betriebe den administrativen Aufwand.
WechselhürdenMöchte man den Zertifizierer wechseln, muss die neue akkreditierte Stelle zunächst die vollständige Audit­historie bewerten; das kann Zeit und Geld kosten.

7 | Nachteile einer nicht akkreditierten Zertifizierung

AspektTypische Auswirkung für das Unternehmen
Begrenzte MarktakzeptanzViele OEMs, öffentliche Auftraggeber und Banken akzeptieren nur IAF-akkreditierte Zertifikate. Fehlende Logos können zu Ausschluss bei Ausschreibungen führen.
VertrauensrisikoStakeholder müssen die fachliche Seriosität der Stelle selbst überprüfen. Fehlende behördliche Aufsicht erhöht die Gefahr von Schein- oder „Fast-Track“-Zertifikaten.
Doppelter Aufwand bei späterer AkkreditierungWird später doch ein akkreditiertes Zertifikat verlangt, muss das komplette Audit erneut unter akkreditierten Bedingungen durchlaufen werden.

8 | Praxistipps zur Auswahl von Stelle und Auditor

  1. Zweck des Zertifikats klärenWarum brauchen Sie ISO 9001? – Erfüllen Sie damit eine konkrete Kunden- oder Behörden­anforderung, oder dient es vor allem internen Verbesserungen? Davon hängt ab, ob ein akkreditiertes Zertifikat zwingend ist.
  2. Akkreditierungs­anforderung vorab prüfenErkundigen Sie sich bei Auftraggebern, Verbänden und wichtigen Kunden, ob sie ein IAF-akkreditiertes Zertifikat verlangen. Fehlt eine solche Vorgabe, bleibt die Wahl zwischen akkreditierter und nicht akkreditierter Stelle offen.
  3. ISO 17021-Konformität belegen lassenBitten Sie den Anbieter um eine schriftliche Darstellung, wie er die ISO 17021 erfüllt (Unabhängigkeits­regelungen, Kompetenznachweise, interne Audit- und Review-Prozesse).
  4. Auditoren­profile einfordernVerlangen Sie für das geplante Auditteam Lebenslauf, Branchen­erfahrung, relevante Zulassungen und die Anzahl bisher durchgeführter Audittage. So stellen Sie sicher, dass Fach- und Methodenkompetenz zu Ihrem Unternehmen passen.
  5. Referenzen verifizierenSprechen Sie mit Referenz­kunden ähnlicher Größe und Branche. Fragen Sie gezielt nach Audit­qualität, Termintreue und dem praktischen Nutzen der Audits.
  6. Vertragliche Transparenz schaffenHalten Sie alle Kostenpunkte schriftlich fest: Tagessätze, Reise- und Übernachtungs­kosten, Zertifikats- und Überwachungs­gebühren sowie mögliche Nachaudit- oder Storno­kosten. Klären Sie auch, wie schnell Audit­termine verschoben werden können.
  7. Langfristige Perspektive bedenkenPlanen Sie heute eine nicht akkreditierte Zertifizierung, richten Sie Dokumentation und Audit­intervalle so aus, dass ein späterer Wechsel zu einer akkreditierten Stelle ohne doppelten Aufwand möglich bleibt.

Indem Sie diese sieben Schritte konsequent durchlaufen, gewinnen Sie Transparenz über Kosten, Nutzen und Qualität – und sichern sich einen Auditor, der echten Mehrwert für Ihr Qualitäts­management liefert.


9 | Entscheidungsbaum

Entscheidungsbaum - Akkreditiertes und Nicht-akkreditiertes Zertifikat

10 | Fazit

Ob mit oder ohne Akkreditierung – entscheidend ist, dass die Zertifizierungs­stelle tatsächlich nach ISO 17021 arbeitet und ein qualifizierter Auditor Ihr Unternehmen versteht. Akkreditierte Zertifikate bringen internationale Anerkennung und minimieren Marktrisiken. Nicht akkreditierte Zertifikate können schneller und günstiger sein, sowie einen tatsächlichen Mehrwert liefern, solange alle Stakeholder deren Gültigkeit akzeptieren.

Merksatz:

Komplexe Märkte, hohe Sichtbarkeit → Akkreditierung wählen; überschaubare Märkte, Kosten­druck und guter Auditor → Nicht-akkreditierte Option erwägen.


Transparenzhinweis

Ich arbeite seit Jahren sowohl mit akkreditierten als auch mit nicht akkreditierten Zertifizierungs­­stellen zusammen. Diese Doppelperspektive ermöglicht mir eine neutrale Einschätzung aus der Praxis: Über den eigentlichen Mehrwert eines ISO-9001-Audits entscheidet in erster Linie die Kompetenz des eingesetzten Auditors – nicht das Logo auf dem Zertifikat. Meine Empfehlungen zielen deshalb darauf ab, Unternehmen bei der Auswahl eines qualifizierten Auditors zu unterstützen, unabhängig davon, ob die Zertifizierungs­­stelle akkreditiert ist oder nicht.

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